Hip-Hop, Schlager oder eine klassische Sonate – für viele Menschen wäre die Zeit im Auto ohne musikalische Untermalung kaum erträglich. Dabei könnten sie bei genauem Hinhören und abgeschaltetem Radio ein ganzes Orchester an verschiedenen Tönen entdecken: Der Fahrtwind rauscht mal laut, mal leise. Der Blinker gibt einen regelmäßigen Rhythmus vor. Klimakompressor und Servomotor summen. Bei allzu heftigen Manövern quietschen die Reifen und der Parkassistent piept, wenn der Abstand zu klein wird.
In Fahrzeugen mit Verbrenner nehmen die Mitfahrer viele dieser Tonlagen jedoch gar nicht war, denn der Motor übertönt einen Großteil der anderen Schallquellen. Im Elektroauto fällt dieses, auch als Maskierungseffekt bekannte Phänomen dagegen größtenteils weg – und stellt unser Team vor neue Herausforderungen.
Elektroautos brummen nicht, sie pfeifen
Bei den ersten Entwicklungen für die Elektromobilität hatten sich viele Fahrzeughersteller zunächst auf den Antriebsstrang und die Verlängerung der Reichweite konzentriert. Mittlerweile spielen in den Köpfen der Ingenieurinnen und Ingenieure andere Faktoren eine größere Rolle, zum Beispiel Komfort und Wohlbefinden der Insassen. Denn auch wenn der Elektroantrieb objektiv leiser ist als ein Verbrennungsmotor, seine Geräusche landen nicht selten im vierstelligen Hertzbereich. Und solche hohen Frequenzen werden von Menschen beispielsweise als unangenehmes Pfeifen wahrgenommen. Der Grund liegt vor allem in der unterschiedlichen Funktionsweise der beiden Motoren: Der Verbrennungsmotor erzeugt in jedem Zylinder kleine Explosionen, während der Elektromotor das E-Fahrzeug mithilfe eines rotierenden Magnetfelds antreibt.
Wenn aus leichtem Schwingen ein dumpfes Kribbeln wird
Auch das Gefühl ist in der Elektromobilität ein anderes. Wer schon einmal in einem Elektroauto saß, der weiß: Besonders beim Anfahren wirken die Kräfte und Momente nahezu unverzögert. Das liegt an der elektromagnetischen Krafterzeugung und der höheren Drehzahl des E-Motors. Wenn dann die Karosserie zum Schwingen gebracht und durch die Eigenfrequenz beispielsweise des Motorgehäuses weiter verstärkt wird, führt es zu einem spürbaren Phänomen, welches sich zum Beispiel als dumpfes Kribbeln in der Magengegend äußert. Ingenieurinnen und Ingenieure sprechen in diesem Zusammenhang auch von NVH-Verhalten. Dabei steht die Abkürzung NVH für die englischen Begriffe Noise (Lärm), Vibration (Schwingung) und Harshness (Rauheit).
Damit die Karosserie – und die Insassen – möglichst effizient von diesen hochfrequenten Anregungen des Motors und der Fahrbahn abgeschirmt werden, muss der E-Fahrzeug-Motor gut gelagert werden. Und dabei gibt es viele Stellschrauben, an denen unsere Lagerungsprofis drehen können, angefangen beim Design bis hin zum Material.
Mit dem richtigen Design zur optimalen Klangfarbe
Eine Motorlagerung besteht – egal ob E-Fahrzeug oder Verbrenner – aus jeweils einem Anbindungselement auf der Motor- und der Karosserieseite und einem elastischen Verbindungsstück, das die Isolation übernimmt. Dabei haben die Hersteller die freie Auswahl: Drei- oder Vier-Punktlagerung. Buchsen-, Konus- oder Hydrolager. Single- oder Double-Isolation.
Mithilfe von Simulationsverfahren wie der sogenannten Finite-Elemente-Analyse (FEA) und eigenen Materialmodellen können unsere Expertinnen und Experten das Design und die Eigenschaften der Lagerungskomponenten bereits in sehr frühen Entwicklungsphasen genau an die Anforderungen der Hersteller anpassen. Zum Feintuning des „Instruments“ werden in der Prototypenphase auch subjektive und objektive NVH-Analyseverfahren in Fahrzeuginnenraum und Fahrwerk eingesetzt.
Die Materialauswahl sorgt für die richtige Tonlage im E-Auto
Aber nicht nur aufs Design, sondern auch auf die Werkstoffauswahl kommt es an. Umso besser, dass wir auch in Sachen Material echte Expertinnen und Experten in unseren Reihen haben. Denn weil E-Fahrzeuge aufgrund der großen Antriebsakkus ohnehin schon recht schwer sind, sollten die Bauteile bei optimaler Leistung möglichst leicht sein. So wird die Reichweite möglichst groß. Für die Anbindungselemente eignet sich Stahl, der durch seine hohe spezifische Steifigkeit deutlich höhere Kräfte und Momente aufnehmen kann. Faserverstärkte Hochleistungspolyamide sind mit ihrer geringen Dichte besonders leicht. Und wer zwischen diesen beiden Extremen den Mittelweg finden will, für den erfüllt Aluminium alle wichtigen Kriterien für Anbindungselemente.
Für das eigentliche Isolationselement können wir auf 150 Jahre Erfahrung in Gummi zurückgreifen. Denn auch hier unterscheiden sich die Mischungen für Elektroautos von jenen für Verbrenner: Die Gummimischung ist im Motorraum niedrigeren Temperaturen ausgesetzt. Daher kann der Zielkonflikt des Mischungsrezeptes in Richtung dynamische Verhärtung und Lebensdauer verschoben werden. Die Herausforderung für das Isolationselement liegt vor allem darin, die richtige Steifigkeit sowie Beständigkeit für die optimale Isolation und höchste Sicherheit zu finden – damit das akustische Erlebnis in einem E-Fahrzeug eher einem wohligen Klangteppich als störenden Misstönen ähnelt.